Jetzt ist Muskelkraft gefragt.
Der Transporter der Herforder Tafel ist prall gefüllt mit blauen Kisten voll Karotten, Salat, Äpfeln, Zwetschgen und andern frischen Lebensmitteln.
Die Sonne scheint, es ist ungewöhnlich warm an diesem Nachmittag im Herbst. Reinhard Blomenkamp krempelt die Ärmel hoch, schnappt sich die ersten zwei blauen Kisten und trägt sie ins Haus des Deutschen Roten Kreuzes an der Immanuel-Kant-Straße in Spenge.
Blomenkamp ist schon seit zwei Jahren ehrenamtlicher Helfer bei der Herforder Tafel, die einmal pro Woche eine Ausgabe in Spenge und in Enger organisiert. "Ich finde, es ist eine nützliche Sache", sagt er. Er hatte gezielt nach einer solchen Aufgabe gesucht, nachdem er pensioniert war.
Blomenkamp stellt die beiden Kisten auf die zuvor vorbereiteten, langen parallel zueinander verlaufenden Tischreihen. Ihm hinterher kommen die anderen Ehrenamtler. Zusammen räumen sie den Transporter innerhalb von zehn Minuten leer. Die Kisten stehen noch etwas ungeordnet in dem großen Raum.
Es ist kurz vor 14 Uhr. Bald beginnt die Ausgabe. Jetzt geht alles ganz schnell. "Wo kommen die Backwaren hin?", schallt es durch den Raum. Die Antwort kommt prompt aus der anderen Ecke, wo eine Ehrenamtlerin Ketchup und Mayonnaise aus den großen Kartons nimmt und sorgfältig in eine Reihe stellt. "Das Brot kommt nach ganz hinten an den Tisch!"
Die Lebensmittel werden morgens mit dem Transporter von verschiedenen Orten abgeholt. "Die Spenden bekommen wir von Supermärkten, Bäckereien, aus dem Einzelhandel oder auch direkt von den Herstellern bei Überproduktion", erklärt Hendrik Karczewski, Kassenwart der Tafel in Herford. In Herford im Lager werden diese dann sortiert und begutachtet. "Wir haben genau die gleichen Auflagen, was Lebensmittel betrifft, wie Supermärkte oder der Einzelhandel", erklärt Karczewski.
Vor rund einem Jahr ist die Spenger Tafel in das DRK-Haus umgezogen. Gleichzeitig eröffnete sie eine Zweigstelle in Enger im Café Solero, wo ebenfalls mittwochs ab 13.30 Uhr die Ausgabe startet. Über den Umzug der Spenger Tafel in das DRK-Haus ist die Herforder Tafel froh. "Zuvor mussten wir Miete zahlen. Hier werden uns die Räume umsonst zur Verfügung gestellt", sagt Karczewski.
Während die Ehrenamtler aufbauen, die Kisten hin- und herschieben und stapeln, damit auch alles griffbereit ist, kommen nach und nach Menschen mit großen Einkaufstüten bepackt in den Eingangsbereich. Jeder zieht eine Nummer. "Wir haben dieses System gewählt, damit die Menschen hier nicht schon zwei Stunden vorher in der Schlange stehen, nur um als erster dran zu sein", sagt Karczewski. So sei das ganze wie ein Losverfahren und keiner müsse lange warten.
"Wir können schon von steigenden Zahlen sprechen", sagt Karczewski. Zurzeit suchen rund 30 Familien die Spenger Tafel auf. "Auch den Trend hin zur Altersarmut können wir hier nachvollziehen", erklärt der Kassenwart. "Immer mehr ältere Menschen sind bedürftig."
In diesem Jahr werden die Tafeln 20 Jahre alt. Was mit einer Idee in Berlin zur Hilfe von Obdachlosen begann, hat sich auf ganz Deutschland ausgebreitet. Mittlerweile gibt es über 900 Tafeln. 50.000 Menschen helfen ehrenamtlich mit. Vom Staat bekommen die Tafeln in Deutschland keine Unterstützung. Sie finanzieren sich ausschließlich über Spenden.
Um kurz nach 14 Uhr geht es los. Die ersten Nummern werden aufgerufen, ein kleiner Obolus an der Kasse gezahlt, dann geht es weiter zu den langen Tischreihen. Immer drei bis vier Personen sind zugleich an der Tafel.
Jeder Ehrenamtler betreut während der Ausgabe einen Lebensmittelbereich. Brigitte Nolte, die seit Anfang des Jahres bei der Tafel in Spenge hilft, ist heute für die Kühlwaren zuständig. "Ich merke einfach, dass die Menschen dankbar sind für das, was wir hier machen", begründet die Wertheranerin ihr Engagement. "Außerdem finde ich die Truppe hier in Spenge sehr nett." Sie lacht herzlich. Durch ihre fröhliche und unbeschwerte Art schaffen es die Ehrenamtler, den großen leeren Raum mit positiver Energie zu füllen. Das merken auch die Menschen, die ihn mit ihrer Nummer in der Hand betreten.
"Möchten Sie lieber Salami oder Schinken?", fragt Nolte eine ältere Dame, die an der Ausgabe steht. "Und Joghurt mit Geschmack oder natur?" Mit voll bepackten Tüten, Taschen und Körben gehen die Menschen dankbar in Richtung Tür und rufen den Helfern mit einem Lächeln auf den Lippen "Einen schönen Tag noch" zu.
Freundliche Genehmigung der:
Neue Westfälische 2013
Ausgabe Enger/Spenge 08.10.13#
Artikel & Foto: C. Zimmermann