Imbiss-Betreiber Dirk Lemmer übergibt weitere Spenden / Engagement auch 2015
Hiddenhausen. Zunächst wollte er nur einigen Bedürftigen über die Feiertage helfen, dann aber wurde Dirk Lemmers Spendenaktion für die Herforder Tafel zu einer beispiellosen Geschichte von Solidarität, Barmherzigkeit und städteübergreifendem Zusammenhalt. Auch im neuen Jahr will der Hiddenhauser Imbiss-Betreiber sein Engagement aufrechterhalten: Am Dienstag übergab er die Reste seiner weihnachtlichen Lebensmittelsammlung an die wiedereröffnete Tafel - und kündigte weitere Schritte an.
Ein Dutzend Fresspakete, stapelweise Würstchengläser, Unmengen von Konserven - im Lager von Dirk Lemmers Imbiss an der Bünder Straße biegen sich die Regalbretter unter der Last der aufgehäuften Lebensmittel. Seit Weihnachten schon liegen sie dort, gespendet von Gönnern, bestimmt für Bedürftige. Genauer: für die Kunden der Herforder Tafel.
Die nämlich standen an den Feiertagen vor verschlossenen Türen am Benter Weg. Dort, wo sie sonst mit Nahrungsmitteln versorgt werden, musste kurzfristig eine zweiwöchige Pause eingelegt werden. Wegen "mangelnder personeller Kapazitäten", wie die Vorsitzende und Gründerin der Tafel, Barbara Beckmann, erklärt hatte.
Was für viele Betroffene einer Hiobsbotschaft gleichkam, war für Dirk Lemmer eine Art Weckruf. "Dass Menschen, die finanziell ohnehin schon arg gebeutelt sind, an Weihnachten ohne Nahrung auskommen müssen, geht gar nicht", sagt der Imbiss-Betreiber rückblickend. Wut und Enttäuschung habe er gespürt. Jedoch nicht auf die Tafel selbst, "da arbeiten schließlich fast nur Hartz IV-Empfänger, und das auch noch ehrenamtlich." Viel mehr war es die Stadt Herford, die sich Lemmers Zorn zuzog. Wegen der ausgebliebenen Hilfe, wie er sagt.
Kurzerhand nahm Lemmer die Sache selbst in die Hand, schrieb Imbiss-Gutscheine, sammelte Spenden von Lieferanten und packte schließlich Lebensmittelpakete, die mit Hilfe der Tafel an Bedürftige verteilt wurden. "Das hat vielen Menschen geholfen oder das Fest gerettet", sagt Barbara Beckmann. Natürlich freue sie sich über die Unterstützung, führt sie weiter aus. Und auch, dass aus der Aktion sogar noch Lebensmittel für die tägliche Tafel-Arbeit übrigblieben, helfe unheimlich viel. Ihr eigentliches Ansinnen bei der vorübergehenden Schließung aber war ein anderes: Aufmerksamkeit schaffen.
"Wir brauchen endlich eine öffentliche Förderung", sagt Beckmann. Nur so, da ist sie überzeugt, könne die weitere Versorgung von Bedürftigen in Herford gewährleistet werden. "Dafür sind mindestens fünf Vollzeitstellen nötig. So könnten wir auch Arbeit für bestehende Mitarbeiter schaffen, die seit Jahren ehrenamtlich bei uns tätig sind und derzeit überwiegend selbst von Hartz IV betroffen sind." Einen Antrag hat Beckmann bereits beim Sozialausschuss des Kreises Herford gestellt. Mit Ausnahme des zuständigen Kreisrechtsdirektors Paul Bischof, der bereits Unterstützung signalisiert hat, bleiben die Reaktionen bislang allerdings aus.
Auch deshalb will Dirk Lemmer weiterhin für die Tafel kämpfen und sie unterstützen. Er vermisst vor allem ein klares Bekenntnis seitens der Stadtverwaltung. "Wenn bei einer sozialen Einrichtung wie der Tafel Not am Mann ist, muss der Bürgermeister in die Bresche springen", ist er überzeugt. Noch in diesem Monat möchte er diesbezüglich ein Gespräch mit Tim Kähler führen. Zugunsten der Tafel-Kunden und nicht zuletzt auch der Mitarbeiter.
KOMMENTAR
Gelebte Solidarität
FELIX EISELE
Man könnte auf das ausbeuterische System schimpfen, das nur wenige Gewinner, dafür aber etliche Verlierer generiert. Auf ausbleibende Hilfe der staatlichen Stellen. Oder auf ein Gefüge, in dem Hunger und Armut überhaupt möglich sind. Und sicherlich wäre derlei Kritik angesichts der jüngsten Geschehnisse bei der Herforder Tafel nicht unberechtigt.
Was sich bei näherem Betrachten aber ebenso aufdrängt, ist ein gutes Gefühl gelebter Solidarität. Man muss sich das einmal vor Augen führen: Ein Imbiss–Betreiber trotzt den üblichen Marktmechanismen und stellt gratis Essen für Bedürftige zur Verfügung. Seine Lieferanten zeigen Herz und unterstützen die Aktion. Verteilt wird alles von Menschen, die vom Schicksal ebenso gebeutelt sind, wie die Empfänger. Egoismen und Eitelkeiten hingegen sucht man in dieser Geschichte vergeblich. Diejenigen, die dort in einem Boot sitzen, ziehen im Gegenteil gemeinsam an einem Strang.
Von einer solch solidarischen Einstellung könnten sich viele Menschen eine gehörige Scheibe abschneiden – Politik und Jobcenter inklusive. Dann nämlich wären auch eine Debatte um öffentliche Förderung und die Einrichtung von Vollzeitstellen bei der Tafel längst hinfällig.
felix.eisele noreply@spam.no ihr-kommentar.de
Mit freundlichen Genehmigung der
Neue Westfälische 2015
07.01.2015
Foto und Text Neue Westfälische- FELIX EISELE