Mitarbeiter packen Lebensmitteltüten
Corona hat die Arbeit in der Ausgabestelle verändert. Kunden brauchen einen Termin. Für Senioren, die nicht mehr mobil sind, gibt es einen Bringdienst.
Etwa 700 Familien setzen auf die Lebensmittelunterstützung.
Susanne Barth
¥ Herford. Die Tafel ist eine Brücke zwischen Überfluss und Mangel. Etwa 2.500 Personen sind in Herford registriert, allein 700 Familien greifen auf das Angebot einmal in der Woche zurück.
Es sind Alleinerziehende und Arbeitslose, Geringverdiener und Rentner. Denn wenn das Geld knapp wird, sparen die meisten an Lebensmitteln.
Gleichzeitig fallen Tag für Tag große Mengen an Nahrungsmitteln an, die zwar noch qualitativ hochwertig sind, aber nicht mehr verkauft werden können.
So landet vie lim Mül lstatt in Mägen. Die Tafel schafft einen Ausgleich, sammelt diese Produkte ein und gibt sie gegen einen symbolischen Beitrag an Tafel-Berechtigte ab.
Einer von ihnen ist Masuud Shechmus. Er ist mit seinem Elektrorollstuhl zur Ausgabestelle gekommen.
Der eine mag keine Erbsen, der andere keinen Blumenkohl.
In Zeiten von Corona läuft der Tafel-Betrieb am Benter Weg 21 anders als sonst. Die Mitarbeiter, fast alles Ehrenamtliche, haben eine Menge zu tun.
Sie packen Tüten mit Lebensmitteln: Obst und Gemüse, Käse, Wurst und Joghurt, Nudeln und Konserven. „Das ist viel Arbeit“, sagt die 1. Vorsitzende Barbara Beckmann.
Wenn die Pandemie überstanden ist, werde das Tütenpacken als erstes gecancelt. Schließlich isst nicht jeder Mensch gleich.
Der eine mag keine Erbsen, der andere keinen Blumenkohl, Muslime essen kein Schweinefleisch, es gibt Vegetarier, Veganer, die auf jegliche tierische Produkte verzichten.
Auf all das gehen die Mitarbeiter ein – das nimmt viel Zeit in Anspruch. Zudem fehle die Selbstbestimmtheit, so Beckmann.
Normalerweise werden die einzelnen Kästen mit den Produkten aufgereiht und die Tafel-Nutzer suchen sich ihre Lebensmittel selbst aus.
Es bringe ja nichts, wenn aus den gepacktenTüten was im Müll landet, so die Vorsitzende. Noch stehen hier aber etliche gepackte Taschen und Masuud Shechmus mit seinem Rollstuhl mittendrin.
Der Mann trägt Maske, an den Augen ist aber zu erkennen, dass er lächelt. „Es ist ein gutes Angebot“, sagt Shechmus, der kein Schweinefleisch in seinen Tüten finden wird.
Dafür sorgt Mitarbeiterin Stefanie Becker. Sie bindet die Einkaufstaschen fest an den Griffen des Rollstuhls fest. So kann Shechmus alles sicher nach Hause bringen und Becker widmet sich dem nächsten Kunden.
Sie ist seit einem Jahr dabei – ehrenamtlich.
Viermal die Woche bietet die Tafel diesen Service an
Auch Jörg Depenbrock ist noch recht neu im Team.
„Ich habe kurz vor Corona angefangen“, sagt Depenbrock, der bis zu seinem Vorruhestand bei Küster Pressedruck gearbeitet hat. „Was soll ich zu Hause?“, sagt er, auf das Warum der ehrenamtlichen Tätigkeit angesprochen.
Auch Depenbrock packt Lebensmittel zusammen. Hier wandern Äpfel, Tomaten, Nudeln, Joghurt und Käseblöcke in Kisten. Aber auch hier werde auf die Vorlieben der Kunden geachtet.
„Eine Kiste heute ist vegetarisch“, sagt Depenbrock. Nach- dem alles gepackt und im Transporter verladen ist, fährt er zu Senioren, die nicht mehr selbstständig zur Ausgabestelle kommen können.
Maximal 16 Haushalte seien es pro Tag.
„Die Runde dauert zwei Stunden“, sagt Depenbrock.
Viermal die Woche bietet die Herforder Tafel diesen Service an. Begonnen hat es auch hier mit der Pandemie. Die Tafel ist im vergangenen Jahr zeitweise komplett geschlossen gewesen.
Aus Sicherheit für die Mitarbeiter und Kunden. „Als Corona anfing, haben wir den Bringdienst entwickelt“, sagt Beckmann.
Einige Senioren haben sich das Angebot weiter gewünscht.
So seien die Lebensmittel dennoch zu den bedürftigen Familien und Einzelpersonen gekommen. Das Angebot „war ziemlich kostenintensiv“, so die Vorsitzende.
Als die Ausgabestelle wieder geöffnet hatte, wurde der Bringdienst eingestellt. Einige Senioren haben sich das Angebot weiter gewünscht.
Für diejenigen, die kaum eine Chance haben, sich ihre Lebensmittel vor Ort abzuholen, läuft der Service daher weiter.
Ansonsten gibt es Dienstag, Donnerstag und Freitag zwischen 12.30 und 15 Uhr die Lebensmittelausgabe in Herford. Spontan vorbeischauen, geht nicht mehr.
„Alle Viertelstunde haben acht Personen einen Termin“, sagt Beckmann. Erst heißt es Hände desinfizieren, dann gleicht Christiane Koralewski die Daten ab, prüft Anträge und nimmt den symbolischen Beitrag
– 2 Euro für Erwachsene, 50 Cent für Kinder entgegen.
Mit einer Einkaufsliste kann hier niemand kommen. „Es gibt das, was wir haben“, sagt Beckmann. Das kann jetzt nach den Feiertagen auch mal Osterschokolade sein oder frische Blumen.
Die bekommen die Tafel-Kunden am Ausgang – wenn sie die Tulpen denn mögen.
Ohne Ehrenamtliche nicht zu stemmen
Im November 2004 wurde die Herforder Tafel eröffnet. „Wir haben in einer ehemaligen Gärtnerei auf 50 Quadratmetern angefangen“, sagt Barbara Beckmann.
Bald reichte der Platz nicht mehr aus. „Wir haben uns immer weiter vergrößert“, so die Vorsitzende.
Mittlerweile hat die Tafel am Benter Weg 21 etwa 300 Quadratmeter Lagerfläche, hinzu kommen 25 Quadratmeter Kühlfläche.
Auch weitere Ausgabestellen kamen hinzu: Hiddenhausen, Enger und Spenge. Die Tafel in Spenge bleibt am Mittwoch, 14.April, wegen Quarantäne geschlossen.
Die Lebensmittel sammeln die Mitarbeiter an sechs Tagen die Woche bei Einzelhändlern, Super- märkten, Großmärkten, Herstellern und Bäckereien ein. In Herford wird sortiert und von dort aus an die anderen Ausgabestellen ausgegeben.
In Herford arbeiten 50 Mitarbeiter. Der Großteil ehrenamtlich. „Es ist eine schöne Gemeinschaft. Der, der da ist, bleibt“, sagt Beckmann, die ebenfalls ehrenamtlich tätig ist.
Der Bedarf nach günstigen, aber qualitativ guten Lebensmitteln ist ungebrochen. Allein in Herford gibt es 2.500 registrierte Kunden, darunter etwa 700 Familien. Es könnten weitaus mehr sein.
„Bundesweit wird davon ausgegangen, dass nur zehn bis 15 Pro- zent der Berechtigten zu den Tafeln kommen. Das ist in Herford auch so“, sagt Beckmann. (sba)
Artikel aus der NW vom 13.04.2021 (Text und Bilder: Susanne Barth)