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Solidarität hat viele Facetten

Die Herforder Tafel muss immer mehr Menschen mit Lebensmittel versorgen.

Derzeit gibt es einen Annahmestopp für neue Kundinnen und Kunden.

Es war viel Betrieb in den Räumen der Herforder Tafel, als der Autor dieses Kommentars die Ausgabestelle am Benter Weg 21 – 23 besuchte. Geduldig standen die Kundinnen und Kunden an, um sich mit dringend benötigten Lebensmitteln zu versorgen. Eine Frau fragte bei der Vereinsvorsitzenden Barbara Beckmann an, ob sie neu als Kundin registriert werden könne; sie habe vier Kinder.

Beckmann musste die Anfrage leider ablehnen, denn im Moment kann die Tafel nicht mehr Menschen in die Kundenliste eintragen. Eine kleine Episode, die zeigt, wie wichtig solche Angebote gerade in der heutigen Zeit sind. Sie aufrecht zu erhalten, ist eine Verpflichtung, die in erster Linie den Staat trifft. Und das, obwohl Herford zu den wirtschaftlich stärksten Regionen in Deutschland zählt.

Eine zentrale Rolle beim Fortbestand der Tafel, die auch weitere Ausgabestellen in Enger, Spenge, Hiddenhausen und Kirchlengern hat, spielen die vielen ehrenamtlichen Kräfte die dafür sorgen, dass der Warenfluss ständig aufrecht erhalten bleibt, indem sie Lebensmittel, mitunter aber auch Putzmittel, Blumen und andere Waren hin und her fahren und zu diesen Ausgabestellen transportieren.

Auch in diesen Außenstellen selbst ist viel Arbeit zu leisten; es werden Waren sortiert, geputzt, präsentiert und verkauft. Ohne diese vielen fleißigen Hände wäre eine Arbeit der Herforder Tafel undenkbar. Doch die Resonanz zeigt allen Beteiligten, dass sie auf dem richtigen Kurs sind. Knapp 2.000 Kundinnen und Kunden sprechen eine deutliche Sprache. Darunter sind rund 40 Prozent Kinder. Die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sie regelmäßig einen vielfältigen und gesunden Speiseplan zu Hause vorfinden, ist wichtig.

Doch der Herforder Tafel ist es gelungen, ihrer klassischen Arbeit eine weitere, bemerkenswerte Facette hinzuzufügen. Mit Unterstützung des Jobcenters Herford ist es ihr gelungen, acht Mitarbeitende in eine hauptamtliche Tätigkeit zu vermitteln. Für die betreffenden Frauen und Männer, die teilweise einen Migrationshintergrund haben, ist das eine großartige Bestätigung für ihren oft jahrelangen Einsatz.

Doch egal, ob ehren- oder hauptamtlich: Wenn man sieht, mit welcher Begeisterung und Hingabe der Mitarbeiterstab seine Aufgaben vor und hinter den Kulissen der Ausgabestellen wahrnimmt, kann man nur den Hut ziehen. Es ist ein Beispiel von vielen in Herford, die zeigen, dass soziale Solidarität immer noch in der Gesellschaft fest verankert ist. Eine ermutigende Feststellung in Zeiten, in denen sich gleichzeitig die Anzeichen dafür mehren, dass auch in Herford der Zusammenhalt des Gemeinwesens eine immer größere Kraftanstrengung erfordert.

Denn das ich-bezogene Denken hat immer mehr zugenommen – Sozialneid ist immer häufiger wahrzunehmen. Das Beispiel der Herforder Tafel zeigt, dass es mitunter ganz einfach ist, diese Fronten aufzubrechen, indem sich Menschen zusammenfinden, die ganz einfach anpacken, notwendige Dinge tun und ihr Ziel nach einem klaren, vorgegebenen Kompass angehen.

Die Tafel hilft Menschen mit geringem Einkommen in akuten Notlagen, sie ersetzt keine staatlichen Leistungen und gewährleistet keine Vollversorgung. Wer die Kriterien erfüllt, kann einen Tafel-Ausweis beantragen und bekommt einmal pro Woche einwandfreie Lebensmittel. Jenen, die diese Lebensmittel zur Verfügung stellen, so wie Supermärkte und Bäckereien, gebührt ebenso vie Dank wie den engagierten Mitarbeitenden der Tafel. Denn ohne sie wäre das System der Tafeln nicht realisierbar.

Dieses System hat sich jüngst kritischen Fragen stellen müssen. „Man sollte Menschen retten, nicht Lebensmittel“, befand der Soziologe Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen. Damit liegt der Wissenschaftler nicht ganz falsch, streift aber die Arbeit der Tafeln nur teilweise. Denn für die Umsetzung des im Grundgesetz verankerten Gedankens der Menschenwürde sind wir alle zuständig.

Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Anregungen unter: matthias.bungeroth@nw.de
 

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